Es bleibt spannend - Günter

"Longtermer" schöpfen Hoffnung - Günters Schilderung vom Dienstag, 29.9.2009 - Email mitten in der Nacht
auch: Quartier nehmen obwohl man lieber schon weiter will, vom langen Laufen in der Stadt und den Mühen der Koordination, und bemerkenswerte Erlebnisse

14 Uhr wurden vor der Journalisten-Gewerkschaft (Syndicat) gutgemachte, viele, auch sehr grosse Transparente entrollt, die seit gestern Hungerstreikenden verstärkten das "Bild", Sprechchöre und Lieder (z.B. auch, was auf einem T-Shirt steht, WE WILL NOT BE SILENT, Free Gaza, ähnliches in verschiedensten Sprachen, am lautesten die romanischen Länder, mehrfach das ital. Widerstandslied bella ciau... Ein kraftvolles, buntes Ton-Bild)
Elfi und Günter sind kurz in einer Democracy-Now-Sendung zu sehen, die wohl Bilder von dort enthält (wenn ich mich nicht täusche)!

Der ZDF-Journalist, auf den wir Hoffnung setzten, meinte, er dürfe von den hiesigen Behörden her hier nicht mit grosser Kamera filmen (andere taten es!), für das Interview mit der jüdischen Holocaustüberlebenden und für endlich menschenwürge Verhhältnisse im Gaza seit 28.12. hungerstreikende Hedy Epstein war es auch zu laut... Zwei von uns Deutschen passten in sein Auto, fuhren mit ihm in das ZDF-Studio, Peter Voss konnte ihm dort von seinen Aufnahmen vor dem Kairoer World Trade Center von gestern und auch heute überspielen, die - wie wir später telefonisch hörten - in einem offenbar für deutsche Verhältnisse relativ umfangreichen HEUTE-Bericht aufgenommen wurden. Bei der späteren 21-Uhr-Besprechung der "Longtermer" (die über den 2. Januar hinaus im Gaza bleiben wollten und also noch hier sein werden) freuten sich auch Vertreter aus vielen anderen Ländern: Sie verstanden gut, dass entsprechende Oeffentlichkeitsarbeit und Aufnahme in den Mainstreammedien in Deutschland besonders schwer ist.
 
Um 18 Uhr ging der Protest gegen viele Medienberichte plus Aufforderung zu engagierter und korrekter Berichterstattung über in eine (weiter von Internationalen stark mit "bestandene", also unterstützte) Kundgebung von Palästinensern und Ägyptern gegen den Netanjahu/Besuch am selben Platz über.
 
Kurz heim, einige Minuten den Füssen auf dem Bett Guuuuutes tun, schon wieder los zur schon erwähnten Longtermerbesprechung. Uebrigens erstaunlich und ein Segen, dass in "Downtown" so viele (meist schlichte und schlichteste) Hotels versammelt sind, so dass wir damit einigermasssen verbunden sind (es gibt südlich dieser "Innenstadt" noch eine wohl besonders sehenswerte Altstadt, die unser Programm uns aber vielleicht auf Dauer "entrückt") . Und das in diesem unübersehbaren Gebilde von - keiner weiss es, viele schätzen - wohl 20 oder 25 Millionen Menschen und dafür zu wenigen Wohnungen und (trotz der sichtbar personell riesigen, eben zu einem gescheiten Polizeistaat "gehörenden Polizei") noch weniger Arbeitsstellen. So viel zum "Stadtbild" vielleicht doch noch: neben grauenhaften Beton/Bausünden gibt es hier in der Innenstadt riesige Bestände an ursprünglich gewiss hoch beeindruckenden Gründerzeit- und Nachkolonialstilbauten, die Elfi ständig an Havanna denken lassen. Unsprünglich repräsentative Bausubstanz in bejammenrnswertem Zustand. Stadtplaner und ähnliche können hier eigentlich immmer nur ständig schmerzgepeinigt aufschreien, wo dann zusätzlich Hochstrassen oft in drei Ebenen brachial "Raum schaffen". Zur Wohnungsnot ein "Streiflicht" vom 28.12.: Als wir "Dank" der vielleicht 20 km langen Nil/Strasseund falscher Fährte durch Kairoer zum World Trade Center mit Metro, Taxi und zufuss jagten und dabei in radikal andere und falsche Stadtviertel kamen sahen wir vielleicht 150 Bewohner eingekesselt von ähnlich vielen schwarzuniformierten Polizisten mit auch vielen Polzeigittern, nur verbeulte, nicht so toll/deutsch/stabile wie bei uns. Menschen, die sich über die untragbare Wohnungssituation beschwerten.
 
Sehr gerafft aus dem Longtermertreffen (auch ausgezeichnet englisch Sprechende, zu denen ich deutlich nicht gehöre, baten etliche Nativespeaker um langsameres - und eigentlich auch deutlicheres - Sprechen, kaum erfolgreich):
Morgen (na ja, inwischen ist es heute) morgens sollen aufgrund der vielen Verhandlungen 100 nach bestimmten Kriterien ausgesuchte Teilnehmer (Familiäre oder andere besondere Verbindungen zum Gaza, Nationalitäten, Professionen, Altersgruppen...), in den Gaza durchdürfen. Aus dem Gaza, so hören wir, gebe es Stimmen, die unglücklich sind, dass man sich so zuruckstutzen liess, während andere froh berichteten, andere seien froh, wenn wenigstens die kommen...
Dazu sind zwei Ergänzungen nötig:
1) Das Deutsche "Kontingent", so einigte sich die deutsche Gruppe, soweit sie aufgrund der so kurzfristigen Terminierung zusammenkam, auch aufgrund einer gestrigen Verhandlung mit unserer Botschaft darauf, strickt die fünf "Doktores" fahren zu lassen (Ärzte/innen; und - so grummelten einige - auch Titel entscheidend).
 
2) Aber wir Longtermer dürfen am oder kurz nach dem 10.1. einreisen (andere Lesart: Haben eine "gute Chance" dazu). Viel zu wenig gemessen an den Dringlichkeiten, andere meinen: immerhin wenigstens dies...
So jedenfalls die halt nie so berechenbaren Aus- und Zusagen der ägyptischen Behörden, aber immerhin offenbar auch aufgrund der Verhandlungen und offenbar des Drucks u.a. vieler Parlamentarier, der im Vorfeld noch aufgebaut hatte werden können,
Schlimm natürlich, dass sämtliche (!) Botschaften aus EU-Staaten beschlossen haben, für unserenSchutz nicht garantieren zu können (mutmasslich: der "Vorgabe" des Auswärtigen Amtes in Berlin folgend, das uns vor Weihnachten dringend vor der Reise gewarnt hatte, zumal es doch so vielfältig sich um eine Verbesserung der Situation bemühe...)
 
Wiederum gilt: Aufgrund der Besetzung der franz. Botschaft durch wohl 400 Franzosen und Sympathisanten hatte sich jener Botschafter immerhin zu ihnen auf die Strasse begeben und mit ihnen und der Polizei plus anderen Behörden verhandelt. Da kam immerhin heraus, dass 5 Busse nach Al Arish, also ca. 50 km vor Rafah und damit die Grenze fahren dürften. Also grosse Hoffnungen dort - und Enttäuschungen, als ihre Busse auf der Strecke "umgedreht" wurden, sie wieder in Kairo landeten (ähnlich wie am 27.12. wir, die wir aus dem öffentlichen Bus geholt worden waren).
War nun dieser Botschafter trotz der so toll funktionierenden europäischen "Solidarität" - nur mit wem eigentlich!? - ein Stück weit ausgeschert, oder war es ein abgekartetes Spiel, um durch Zwischen/Hoffnungen den Zorn nicht zu hoch kochen zu lassen?
 
Es bleibt spannend.
 
Nachtrag: Warum wir heute erst 14 Uhr "anfingen"? Es sollte 9.30 ein Treffen sein, im Update über Mail lasen wir etliches, davon aber nichts, und dann: Elfi und ich (und eine in Aschaffenburg lebende Französin) waren vormittags gebunden, bis wir wussten, dass uns doch noch eine "Bleibe" im bisherigen Cecilia-Hostel "gegeben ist"; trotz der anderweitigen Zimmerbuchungen. Wir hatten ja gehofft, heute schon im Gaza sein zu können, und ausgecheckt, hatten schon die Nacht vorher Glück (Kairo ist, heisst es, zu Weihnachtstagen immer ausgebucht) und dann wegen von uns erhoffter Stornierungen endlich zu Mittag grünes Bleibe/Licht.
 
Dann war wieder ärgerliche, auch energieraubende Umsonst-Zeit, weil eine längst überfällige und zugesagte, aber noch nicht terminlich etc. fixierte Besprechung immer noch bei uns nicht angekommen war; und als Elfi 12.45 Uhr per SMS nachfragte (wann und wo?) kam dann tatsächlich mal recht schnell zurück: 12.30Uhr... (nach gut halbstündigem Eilmarsch erreichten wir gerade das Ende, waren aber so - freilich nur scheinbar - wieder eingebunden". (Taxi wäre bei dem trotz vieler Huperei vielfach stehenden Verkehr sicher nicht so schnell gewesen).
Nochmals haperte es: Noch um 14 Uhr wurde uns verbreitet, weitere "deutsche" Besprechung sei 18 Uhr (wir schimpften, weil sich das mit einer o.g. Kundgebung "biss", die aber nach "Wissen" einiger Deutscher da noch ausfallen hätte sollen, weil ja Netanjahu schon mittags eingetroffen war, was auch unsere Oberorganisation erst nachträglich vernahm. Als wir bedauernd von der laufenden Kundgebung los- und zum Besprechungsort gegangen waren, erfuhren wir dort von den letzten weggehenden: Besprechung hatte 16.30 Uhr begonnen! Waren nicht viele dort... Aber immerhin haben wir nun einen Termin> Am 30.12. um 10 Uhr.
 
Genug, nein zu viel des Gejammeres. Es gibt Wichtigeres. Hoffentlich kommen wir da bald "dran"!