(Gast-) Blogartikel, alle gemeinsam
Kein ruhiges Hinterland
Als "Europas schönstes Gartenfest" bezeichnet sich das Sommerbiwak der 1. Panzerdivision der Bundeswehr, das alljährlich im Hannoveranischen Stadtpark nebst dem Congress Centrum der Stadt Tausende geladene Gäste aus Wirtschaft, Politik und Militär versammelt, um im "zivilen Umfeld" dem "Zauber der Nacht" zu frönen. Seit zwei Jahren wird dieses von der Stadtverwaltung und Polizeidirektion unterstützte Fest gestört, diesen Juli erstmals durch eine breite, antimilitarisitische Bündnisdemo sowie autonome Kleingruppen. Die Sprechchöre lauteten dem Anlass entsprechend: "Saufen, saufen, fressen, fressen - Ihr führt Kriege schon vergessen?", und: "Schande, Schande, Mörderbande!" Auch im nahe gelegnen Gifhorn wurde am 11.07.2007 erstmals durch etwa 50 Antimilitaristen gegen den jährlich stattfindenden Besuch der Nijmegen-Marschierer der Bundeswehr demonstriert.
Im Juni erhielten bereits die Teilnehmer der vom Handelsblatt initiierten "Defence Conference" im Hotel "Schweizerhof" in Berlin ungebetenen Besuch durch die "Clandestine Insurgent Rebel Clown Army". Auch die Verleihung des Baden-Württembergischen Landesforschungspreises an das Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik in Freiburg am 21.6.2007 wurde von Protestierenden gestört, weil das Institut Rüstungsforschung betreibt, die bei der Verleihung ausdrücklich gelobt wurde. Rekrutierungsveranstaltungen der Bundeswehr in Arbeitsagenturen wurden in den letzten zwei Monaten unter anderem in Rostock, Giessen und Köln gestört oder verhindert. Beobachter merken an, dass solche Veranstaltungen mittlerweile kaum noch öffentlich angekündigt werden, weder von der Truppe noch den Arbeitsagenturen.
Krieg zu laut
Damit hat die Eliteeinheit der Bundeswehr wohl nicht gerechnet, da wollten sie ihre Kampfhandlungen so echt wie möglich üben - um Deutschland in aller Welt verteidigen zu können. Doch aus ihrer Häuserkampfübung wurde nichts. Das Training des KSK in der Buckenberg-Kaserne (Pforzheim) stieß auf so heftige Empörung seitens der Bevölkerung und Stadtverwaltung, dass die Übung, die von Mittwoch, dem 13.6.2007 bis Freitag, 15.6. geplant war, Donnerstags am Nachmittag abgebrochen wurde.
So flogen Bell-Hubschrauber über die Kindertagesstätte im Stadtteil Haidach, Scheiben zitterten von den Detonationen der Handgranaten und der Lärm der Maschinengewehre war unüberhörbar. Der Rektor einer in der Nähe liegenden Schule ging Anfangs noch davon aus, dass die Kaserne abgerissen wird. - welch schöne Vorstellung!
Ein Soldat versuchte die Übung zu rechtfertigen: Da der Bund bei Truppenübungsplätzen spare, müsste auf andere Objekte ausgewichen werden. Die Politik brachte fraktionsübergreifend ihr Missfallen zum Ausdruck und forderte Rechenschaft über die Vorfälle.
USA unerwünscht
Zweifellos hat ein neuer Rann auf Afrika begonnen, bei dem es klar um die dortigen Rohstoffe, insbesondere unerschlossene Ölquellen geht. Als Vorwand wird immer wieder das massive wirtschaftliche Engagement Chinas genannt, weshalb sich auch die EU und USA hier engagieren sollten. Die EU hat über die Finanzierung von AU-Missionen einen bedeutenden Fuß in der Tür die USA bilden in mehreren afrikanischen Staaten Anti-Terror-Einheiten aus. Zudem wollten die Vereinigten Staaten der wachsenden Bedeutung Afrikas durch ein eigenes Oberkommando ihrer Streitkräfte auf diesem Kontinent, das AfriCom, gerecht werden. Dieses ist momentan noch in Stuttgart angesiedelt, soll aber möglichst schnell nach Afrika verlegt werden. Seit April reist nun eine Delegation aus Vertretern des Pentagon und der staatlichen "Entwicklungshilfeorganisation" USAID durch die afrikanischen Staaten, wirbt für eine Stationierung des AfriCom im jeweiligen Land und blitzt dabei regelmäßig - mal mehr und mal weniger freundlich - ab. Besucht wurden zunächst Ghana, Senegal, Südafrika und Nigeria, dann Marokko, Libyen, Algerien, Ägypten, Äthiopien und Djibouti. Marokko galt als aussichtsreicher Kandidat, sagte aber ebenfalls ab. Libyen sprach sich gleich generell gegen US-Truppen auf dem ganzen Kontinent aus. Ein Beamter im Außenministerium folgerte aus der Ablehnung: "Wir haben ein großes Imageproblem dort unten … Die Öffentlichkeit ist wirklich absolut dagegen, mit den USA ins Bett zu steigen. Sie traut den USA nicht."
Afrika, Afrika!
Am 17.7.2007 war der stellvertretende UN-Sekretär für Friedensmissionen, Jean-Marie Guehenno, zu Gast beim Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSC) der EU. Dort bat er die Vertreter der Mitgliedsstaaten um eine hochmobile Truppe, welche im Tschad, wo sich 230.000 Flüchtlinge aus dem Sudan aufhalten sollen, stationiert würde. Die UN plane gemeinsam mit der Afrikanischen Union (AU) eine Polizeimission, die zeitgleich im vierten Quartal 2007 beginnen soll. Die Regierung des Tschad sei in diese Pläne eingeweiht und einverstanden. Der EU Außenbeauftragte Javier Solana sowie UN Generalsekretär Ban Ki-moon unterstützen das zunehmende Engagement der EU, um das angrenzende Darfur zu stabilisieren. Bis Ende des Jahres sollen dort 26.000 Soldaten, ebenfalls in einer "hybriden" UN/AU-Mission stationiert werden.
Am selben Tag informierte der Portugiesische Vertreter des PSC den Verteidigungsausschuss des Europäischen Parlaments darüber, dass gegenwärtig eine ESVP Mission in Guinea-Bissau erwogen werde. Eine Sondierungsmission hätte bereits unter deutscher Ratspräsidentschaft stattgefunden. Ziel des Militäreinsatzes könnte unter anderem der zunehmende Drogenhandel in Westafrika sein. In dem kleinen Land an der westafrikanischen Küste mit knapp 1.5 Mio. Einwohnern gibt es außerdem unerschlossene Erdölvorkommen.
Verweigern!
Die Anzahl der Spät-Verweigerer in der Bundeswehr, also derer, die aus dem Dienst heraus selbigen verweigern, ist 2006 gegenüber dem Vorjahr um 40% auf 2.269 gestiegen, darunter 2203 Wehrpflichtige, 65 Zeitsoldaten und ein Berufssoldat. Das Verteidigungsministerium verweist in diesem Zusammenhang jedoch darauf, dass es im Jahr 2001 mit insgesamt 2.448 Anträgen noch mehr solche Fälle gegeben habe.
Agustín Aguayo, der erste in Deutschland stationierten US-Soldat, der öffentlich seine erneute Verlegung in den Irak verweigerte und sich hierfür im September 2006 unerlaubt von der Truppe entfernte, erhält den diesjährigen Stuttgarter Friedenspreis. Er war am 6.3.2007 in Schweinfurt wegen "Desertion" zu einer Haftstrafe von acht Monaten verurteilt, am 18.4.2007 jedoch aus der Haft in Mannheim entlassen worden und kurz darauf in die USA zurückgekehrt.
Nach Angaben des Pentagon gab es seit Beginn des Irakkrieges etwa siebentausend Fahnenflüchtige, alleine 3.300 im Jahr 2006. Viele von ihnen fliehen nach Kanada und beantragen dort Asyl. Aus diplomatischen Gründen werden sie dieses nicht bekommen, aber ausgewiesen werden sie auch nicht. Theoretisch droht ihnen in den USA die Todesstrafe. So auch Joshua Key, der über seine Erlebnisse im Irak mittlerweile ein Buch geschrieben hat ("Ich bin ein Deserteur"). Unterstützt werden die Deserteure vor allem von Fahnenflüchtigen aus dem Vietnamkrieg, von denen noch Tausende in Kanada leben. Sie hatten damals Asyl erhalten.
Ausnahmezustand in Guinea
Ausgedehnte Demonstrationen und Streiks brachten in Guinea die Bauxitförderung zum erliegen. Die Gewerkschaften forderten neben besseren Löhnen und höheren Steuern für internationale Konzerne auch, die Ernennung eines Premierministers der einen Teil der Macht vom ungeliebten Präsidenten Conté für den Rest seiner Amtszeit übernehmen solle. Conté rief daraufhin das Kriegsrecht aus, das allerdings völlig außer Kontrolle geriet. Die Militärs plünderten und vergewaltigten, ermordeten innerhalb weniger Tage über hundert Menschen. Eine Einheit rebellierte und lief auf die Seite der Gewerkschaften über. Die Abgeordneten des Parlaments bangten um ihr Hab und Gut und beendeten den Ausnahmezustand. Frankreich hatte zuvor ein Kriegsschiff entsandt und seine Truppen in Senegal und Elfenbeinküste aktiviert, aber auch mit den Gewerkschaftern Kontakt aufgenommen. Diese konnten in einem Kompromiss die Kandidaten für das Amt des Premierministers benennen.
Proteste in Pakistan
Nachdem Musharraf, der sich 1999 in Pakistan zum Präsidenten putschte, den obersten Richter des Landes, Iftikhar Muhammad Chaudhry, angeblich wegen Amtsmissbrauch entließ, regte sich Widerstand. In mehreren Städten kam es zu Demonstrationen, worauf die Regierung am 15.3. mit der Inhaftierung von etwa 100 Oppositionspolitikern reagierte und die Ausstrahlung einer Fernsehdebatte zu diesem Thema verbot. Dies ließ die Proteste weiter anschwellen. Polizei und Paramilitärs setzten Gummigeschosse und Tränengas gegen die äußerst heterogenen Demonstrationen ein. Musharraf ist seit seinem Putsch Präsident und Oberbefehlshaber der Armee gleichzeitig, was laut Pakistanischer Verfassung nicht möglich ist. Chaudhry hatte dies vor seiner Amtsenthebung mehrfach kritisiert und angekündigt, dies in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr zu dulden.
Während der Proteste besuchte die österreichische Außenministerin Pakistan und unterstrich die Bedeutung des Landes im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.
Neues von Günzel
Der wegen antisemitischer Äußerungen entlassene frühere KSK-Chef Reinhard Günzel hat mit dem Gründer der GSG-9 und "Held von Mogadischu" Ulrich Wegener ein Buch mit dem Titel "Geheime Krieger - Drei deutsche Kommandoverbände im Bild" herausgegeben. Neben dem KSK und der GSG-9 geht es in dem Buch um die Wehrmacht-Spezialeinheit "Brandenburger", aus deren Reihen der dritte Herausgeber Wilhelm Walter stammt. Das Buch erschien bei dem als rechtsextrem eingestuften Verlag "Pour le Mérite" und bezeichnet die NS-Truppe als Vorbild für die heutigen Spezialeinheiten der Bundeswehr und der Bundespolizei. Auch die Soldaten wüssten, wo ihre Wurzeln liegen, heißt es in dem Buch, die Einsätze der Brandenburger gälten bei ihnen auch heute noch als "legendär".
Mars und Minerva
Am 27.2. sprach Herfried Münkler, Politik-Professor an der Berliner Humboldt-Universität und Protagonist der Theorie der "Neuen Kriege" beim "parlamentarischen Gesprächskreis Mars und Minerva" vor. Dort sprach er von der "post-heroischen" Gesellschaft, in der wir lebten und es immer schwerer sei, ausreichend und ausreichend motivierte Soldaten auch für riskante Einsätze zu gewinnen. Bedingt sei dies auch durch den demographischen Wandel, wer schickte denn schon gern den einzigen Sohn in den Krieg. Die Namensgebung des Gesprächskreises lehnt sich nach Angaben des vorsitzenden MdB Bernd Siebert (CDU Schwalm-Eder) "einerseits an den römischen Gott Mars, andererseits an Minerva, Schützerin des Handwerks und der gewerblichen Kunstfertigkeit sowie Erfinderin des Wagens" an. "So sollen Mars und Minerva symbolhaft für die Landstreitkräfte der Bundeswehr und die industrielle Wehrtechnik stehen." Der Gesprächskreis organisiert beispielsweise auch Kurzwehrübungen von Abgeordneten bei der Bundeswehr, MdB Kristina Köhler (CDU) weis davon zu berichten: "Ich war bei der Bundeswehr! Habe an einer Wehrübung teilgenommen!! Vier Tage lang Uniform tragen, in der Kaserne übernachten, militärisch grüßen, mit G36 zu schießen versuchen (ging sogar ganz gut) und mit MG3 (ging gar nicht)…"
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